„Boy you ain ́t a poet, you ́re just a drunk with a pen“ (Hayes Carll)
Für das Kabarett ist er zu schrill, für die Comedy zu politisch: Matthias Seling ist ein Grenzgänger, der sicheren Schrittes auf dieser argwöhnisch bewachten Demarkationslinie zwischen Comedy und Kabarett wandert. Das einzige, was ihn dabei ins Wanken bringt, sind seine Anpassungsresistenz und sein Hang zu hoffnungsloser Romantik.
Als Österreicher in München aufgewachsen, trug der junge Seling den feinen Spürsinn von „Kottan“ im Herzen, war aber gezwungen, seine Kindheit in den Kulissen einer im Großbürgertum angesiedelten „Derrick“Folge zu verbringen. Im Sommer 1982 verliebte er sich gleich vier Mal: In die Comedy von John Belushi, die Musik von Bob Dylan, die Bücher von Jack Kerouac und in Melanie A. aus der Parallelklasse. Drei dieser Lieben ist er bis heute treu geblieben.
Die Jahre nach Erlangen seiner Matura waren durch Reisen geprägt; inspiriert von Kerouacs atemloser Beatnikprosa, lebte er in Dublin, Santa Fe/New Mexico und Boulder/Colorado. Es kam zu Begegnung mit seinen Helden Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Nach weiteren Aufenthalten in Madrid, Wien und Budapest zog er zurück nach München, um der akademischen Laufbahn eine Chance zu geben. Dies gelang, Seling schloss das Studium der Amerikanischen Literaturgeschichte und der Philosophie mit dem Magistertitel ab. Gleichzeitig erzielte er als Songschreiber und Gitarrist einige Achtungserfolge mit seinen Bands Jeep Beat Orchestra und Lunchbreak Rodeo.
Zur (letzten) Jahrtausendwende siedelte Seling nach Köln über. Einige Zeit arbeitete er hinter den Kulissen der HumorIndustrie als Gagschreiber und Verfasser von Erotikhoroskopen. Dann packte ihn wieder die Reiselust: Er begann den langen Marsch (mit ICETeilstrecke) durch das sumpfige Gebiet der Kleinkunstbühnen. Erste Erfolge stellen sich rasch ein. Von Thomas Hermans entdeckt, erlangte er den zweiten Platz beim Quatsch Comedy Club Hotspot (Pro7). 2005 gewinnt er den Ersten Trierer Master Comedyslam.
Mit seinem Solo Programm „One Night Stand Up“ tourte er ab 2005 durch den deutschsprachigen Raum. Regelmäßige Fernsehauftritte bei Nightwash, Quatsch Comedy Club und auf Comedy Central bringen Matthias Seling einem breiten Publikum näher. Endlich scheint die Medienwelt einzusehen, dass es Seling selten an einem Ort hält, daher erfüllt sich mit Schock TV (Horizont TV für RTL) ein langgehegter Wunsch: Matthias darf eine Abendteuerreise Comedy Doku durchleben und moderieren. Zeugen seiner Heldentaten wurden leider nur die Geduldigen und von Schlaflosigkeit geplagten, da Selings Erlebnisse in Madagaskar, Süd-Afrika und den USA erst 2010 zur denkbar schlechtesten Sendezeit ausgestrahlt werden.
2008 wird Seling für den Prix Pantheon nominiert, verliert aber verdient gegen alle anderen Teilnehmer. Das folgende Jahr verbringt Matthias mit dem Schreiben autobiographischer Kurzgeschichten, die bei Ullstein 2010 unter dem unglücklichen Titel „I werd narrisch! Ein Österreicher schlawienert sich durch Deutschland“ veröffentlicht werden. Der von ihm favorisierte Titel „Kaiserschmarnn im Swingerclub“ wurde abgelehnt, da man in der Geschichte schlechte Erfahrungen damit gemacht habe, wenn Österreicher in Deutschland das Marketing ihrer Werke selbst in die Hand nähmen.
Ende 2010 nimmt sich Matthias eine Auszeit von der Comedy und zieht sich in die komfortablen Gefilde der ihm vertrauten Subkuturen zurück. Mit seiner damaligen Lebenspartnerin, der Burlesque Tänzerin Kitty Go Wild, gründet er den Anarcho Zirkus Varieté Nächstenliebe. Außerdem widmet er sich verstärkt dem Songschreiben und der Straßenmusik. 2013 wird zu seinem Phönixjahr. Zum einen findet Seling endlich die Themen, die er auf Comedy und Kabarettbühnen abarbeiten kann. Zum anderen werden amerikanische Musiker auf ihn aufmerksam.
Er begleitet die Cajun Musiker Drew Landry, Julian Primeaux im Vorprogramm auf ihrer Europa Tournee. Seling gedenkt, sich auf seinem Lebensweg nicht vom verschlungenen Pfad abbringen zu lassen. Höhen und Tiefen wird er weiterhin erhobenen Hauptes aber ohne Mulitfunktionsjacke bewältigen. Bam!